Auf nach Westen

„Es ist Sommer, ob’s stürmt oder friert, Sommer ist, was in deinem Kopf passiert….“

Endlich KARL… Nach den Vorhersagen tut sich für Sonntag Abend ein Wetterfenster mit Ostwind auf, das müssen wir nutzen. Noch „schnell“ die Dieselfilter gewechselt. Schließlich ist immer noch normannischer Diesel aus Cherbourg im Tank (von vor über zwei Jahren) und die Filter haben wir zuletzt auf El Hiero gewechselt. Beide Filter sind bis auf einige Partikel sauber! Beim Entlüften dann leichte Panik, die Handpumpe füllt die Filter nicht! Als meine beste Mechanikerin fragt, ob der Benzinhahn offen ist…läuft’s wie von selbst, fünf Minuten später schnurrt der Volvo.

Bei halber Flut geht es bei Sonnenschein um 18.00 Uhr aus dem Hafen. Für die gleiche Zeit hat „windy“ den Winddreher auf Ost vorhergesagt und wir wollen ja nichts von der Kostbarkeit Ostwind verschwenden. Kaum ist die Brücke hinter uns zu, schläft der schwache Westwind ein und eine schwarze Front tut sich draußen auf der Nordsee auf. Daher also der Dreher. Ölzeug an, unter Motor noch die Schelde queren, Segel hoch, rein in den Regen und die Nacht. Hinter Zeebrügge ist’s dann mit dem Wind vorbei und mit Motorunterstützung und dem mitlaufenden Strom gehts weiter durch die belgischen Sande, an den vor Reede liegen Frachtern vorbei, am Horizont Oostende und Nieuwpoort passierend. Um vier Uhr Wachwechsel und ab jetzt setzt Silke direkten Kurs Calais. Geprägt ist die Nacht von Schauern, mal Wind in Böen mit max. 10 kn, mal auch keiner, viel mehr Motor als Segel. Mit einem wunderschönen Sonnenaufgang wird die Nachtwache belohnt, dafür ist jetzt gar kein Wind mehr. Bei strahlendem Sonnenschein, Brexitland auf Steuerbord und die graue Nase auf Backbord, sehen wir ein, dass der Wind nicht reicht und später auch noch auf West drehen soll, um Kurs Cherbourg zu setzen. Ok, dann zumindest Dieppe, die Schöne.

ETA Dieppe, 22.00 Uhr, das reicht, um dort noch einen Pastis zu trinken. Denken wir und stellen kurz vor der Hafeneinfahrt die Frage an Portcontrol Dieppe, ob wir noch vor der heranrauschenden Fähre einlaufen dürfen. Ein klares NO, auch ein anderer Segler, der schon im Vorhafen ist, wird wieder hinausgeschickt! Aber nicht wegen der Fähre; le port est plein et l’entrée est interdite. Der Versuch, auf die Tränendrüse zu drücken, misslang kläglich. Der Hafen ist voll! Wohl dem, der vorher anruft. Die Häfen sind mit Holländern mehr als gefüllt. Corona und Brexit bedingt fällt England aus. Kein Wunder also…

Nutz alles nix, die Überlegung vor der Küste zu ankern, erledigt sich schnell. Momentan gibt’s zwar keinen Wind, aber der Schwell würde uns kein Auge zumachen lassen. Der nächste Hafen: Fecamp, 30 Meilen West. Wenig Wind, der auch noch aus West, Schauer…die schöne Küste zieht an Backbord im Dunkeln an uns vorbei. Auch Saint Valery en Caux müssen wir „links“ liegen lassen, denn es ist Niedrigwasser, Zufahrt unmöglich. Um 3.30 Uhr sehen wir die Hafeneinfahrt von Fecamp. Jede Menge Lichter funkeln dort und erst zwei, drei, dann VIER rote? Weiße Scheinwerfer blenden, die dort eigentlich gar nicht hingehören. Wir rätseln, was dort mitten in der Nacht los ist. In der Hafeneinfahrt wird gebaggert. Zum Glück kommt ein Fischer heraus, also ist die Einfahrt offen. Nicht nochmal Portcontrol anrufen; die Gefahr einer erneuten Absage ist zu groß. Kurz vor dem Bagger kommt uns der nächste Fischer entgegen, mit seinem fetten Licht werden wir von ihm geblendet. Er wartet, bis wir die Engstelle passiert haben und schießt dann aus dem Hafen. Endlich, alles ist wieder dunkel, tuckern wir gemächlich in den Hafen, finden noch ein letztes freies Plätzchen und sitzen um halb fünf zufrieden und glücklich bei einem Glas Sherry in der Plicht 179,5 Seemeilen liegen hinter uns. Wir fühlen uns gut….

Für mehr Fotos : Link auf die alte Website

2 KOMMENTARE
  • Köbi
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    Sehr spannend, eure Nachtfahrt! Endlich darf der Karl wieder mal raus aufs Meer. Liebe Grüsse aus Panama, die Lupina Crew

    1. hans
      Antworten

      Ja, aber leider hält uns hier jetzt der Wind fest … Haben uns heute ein Auto geliehen und sind dabei die inneren Werte der Normandie zu entdecken… Morgen geht’s für zwei Tage nach Rouen… ?

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