Aries oder vom Wind steuern lassen
Der größte Horror: lange Strecken segeln und von Hand steuern.
Und das nicht nur ein, zwei, drei Stunden wie im Urlaub oder auf den üblichen Wochenendtrips, sondern – worst case – mehrere Tage. Also muss eine zuverlässige Windsteueranlage her. Windpilot, Windvane und Aries sind die wohl bekanntesten. Aber welche soll es sein ? Wir haben uns auf dem Gebrauchtmarkt umgesehen und wie der Zufall es will, wurde in der Segelgruppe auf Facebook eine gebrauchte Aries angeboten. Beim Ship Shop in Duisburg waren Anlage und Voreigner sogar bekannt. So haben wir uns die Entscheidung abnehmen lassen, welche es sein soll. Gesagt – getan – gekauft. Es wurde eine ARIES. Damit ist schliesslich auch Herr Erdmann mehrfach um die Welt gesegelt …
Zur Sicherheit sollte ein Fachmann drüberschaun. Ship Shop empfahl Lean Nelis in Amsterdam, der die Aries mittlerweile sowohl baut als auch wartet. Er hatte auch noch Tipps und die nötigen Alurohre zur Montage, denn die von der gebrauchten passten natürlich nicht. Unter anderem empfahl er, bei der Anbringung darauf zu achten, dass die obere und untere Halterung in einer Achse stehen. So ist es möglich, die Badeleiter zu belassen. Man kann die beiden Bolzen (oben und unten) auf einer Seite lösen und die Aries zur Seite klappen. Schon sind Badeplattform und Leiter wieder nutzbar! Das ist ein guter Tipp, aber letztendlich haben wir uns doch für eine seitlich liegende Leider mit Plattform entschieden und so die Aries nie weggeklappt. Auch im Notfall erscheint diese Lösung nur suboptimal…
Er hat unsere Aries auch komplett auseinandergenommen und gewartet . Ein neues Servoruder musste her, da sich der Schaumkern des alten im Inneren aufgelöst hatte. Außerdem mußte eine Welle erneuert werden, da diese leicht verbogen war. Jetzt haben wir eine neuwertige Anlage, die nach der Wartung (850,00 €) immerhin dann doch 3.300,00 € gekostet hat ( Neupreis 3.800,00 €). Sinnvoll ist es auf jeden Fall, gebrauchte Anlagen checken zu lassen, denn bei Hafenmanövern sind die Anlagen empfindlich und Lagerschäden bzw. auch verbogene Wellen nur schwer zu erkennen. Also beim Gebrauchtkauf immer noch Kosten dazurechnen und überlegen ob sich der Kauf einer gebrauchten wirklich rechnet. (Bekannte hatten das gleiche Problem mit einer Windpilot + 1.000,00 €
Die Montage ist je nach Boot, mit etwas handwerklichem Geschick, nicht all zu schwierig, wenn man denn von innen an den Heckspiegel herankommt. Bei uns war es innerhalb eines halben Tages vollbracht. Es war das absolut wärmste Maiwochenende …..
Ein Wort zur Führung der Steuerleinen an unserem Boot. Wir haben uns nach Rücksprache mit Lean dazu entschieden, die Steuerleinen nicht wie üblich seitlich zu führen, sondern mittig und dann von unten das Rad anzusteuern. Das hat den Vorteil, dass die Plicht weitestgehend frei ist von Leinen. Problematisch ist einzig die Führung über die Teakdeckkante. Hier werden wir jetzt eine abgerundete Edelstahlkante (Kantenschutz) einsetzen (die Leine frisst sich ohne Erbarmen ins Holz). Ob dies reicht und die Steuerleinen nicht allzu sehr leiden, wird sich zeigen. Hier Rollen/Ösen einzusetzen wäre nicht schön, da diese das Sitzen hinterm Steuer beeinträchtigen und auch eine erhebliche Verletzungsgefahr bedeuten würden…aua beim unbedachten Hinsetzen…Letztendlich wurde es doch eine Rolle, denn die Belastung der Steuerleinen auf langen Strecken ist nicht zu unterschätzen. Trotz Umlenkrollen war bei Ankunft auf Teneriffa eine Leine angezählt uns musste getauscht werden.
Die ersten Versuche
auf dem Ijsselmeer waren erfolgversprechend, aber noch nicht optimal. Auch das Segeln mit der Windsteueranlage will gelernt sein und das Ijsselmeer ist nicht unbedingt das richtige Revier (böig und immer wieder Winddreher). In den Genuss der Anlage kamen wir erst im Urlaub im Ärmelkanal. Bei konstanten Winden und richtigem Segeltrimm!! läuft die Anlage super. Ob am Wind, vor dem Wind oder auch bei wenig Wind und zusätzlicher Strömung hat die Aries uns gezeigt, dass es mit Karl und Aries wunderbar funktioniert. Wir freuen uns drauf…
Nach 6000 Meilen und über ein Jahr später
Jetzt sind wir zurück … Hat sich die Anschaffung gelohnt ?
Ja, aber …
Bis zu den Kanaren haben wir die Langstrecken ausschließlich mit der Aries gesteuert und sie hat uns zuverlässig auch dort hingebracht. Nicht immer lautlos (manchmal haben die Umlenkrollen gequietscht, beim Kauf auf kugelgelagerte Umlenkrollen achten ) , nicht immer so ganz ohne Probleme (bei Ankunft auf den Kanaren war ein Steuerseil zerschlissen), nicht immer auf dem aller kürzesten Weg. Aber wir haben gelernt damit umzugehen und die Segel so zu setzten und zu trimmen, dass alles ein System bildet. Nur so kann eine Windsteuerung funktionieren und zu 99% sind es Fehler im Trimm, wenn es mal nicht funktioniert. Die Crew muss segeln können, dann funktioniert die Windsteueranlage!
Auf den Kanaren haben wir dann, aus Bequemlichkeit auf die Aries verzichtet und uns auf Raymarine verlassen. Mit der Erfahrung des segelns mit der Aries, war es für Raymarine ein leichtes, Karl auf optimalem Kurs zu halten. Ohne Ruderdruck, mit optimal getrimmten Segeln !
Als es dann auf der Rückfahrt Richtung Norden ging, bemerkten wir schnell, dass irgend etwas nicht mit der Aries stimmt. Immer wieder lief Karl aus dem Ruder und auf der halben Strecke Richtung Azoren musste die elektrische Radsteuerung ran. Die Welle zum Servoruder der Aries wurde immer schwergängiger und letztendlich fiel die Aries ganz aus. Die letzten 2000 Meilen – zurück nach Holland – hat uns dann die Radsteuerung von Raymarine auf schnurgradem Kurs zurückgebracht. (wie wir mittlerweile wissen, ist es aber ein leichtes, die ARIES wieder gängig zu bekommen). Wir waren einfach zu faul …
Und, unser Fazit ? Wir sind hochzufrieden mit unserer Gesamtlösung. Das heisst mit Aries und redundant mit Raymarine. Undzwar genau in der Reihenfolge. Auch wenn wir momnetan die Aries abgebaut haben, für den Urlaub ist die Aries überflüssig, und bei den überfüllten Häfen in unserm Heimatrevier ist die Aries einfach zu empfindlich bei kleinen Remplern… Wir werden sie auf jeden Fall behalten und bei unserm nächsten langen Törn auch wieder einsetzten.
Zur Radsteuerung von Raymarine : Bei optimal getrimmten Boot (!!!) ist es wirklich toll, wie uns das neue System von Raymarine gesteuert hat. Vor allem die geringen Steuerausschläge und der damit geringe Stromverbrauch waren mehr als überzeugend. Nie wurde der kleine Motor der Radsteuerung auch nur annäherd warm. Sollte uns mal eine ordentliche Welle oder Boe vom Kurs abgebracht haben, oder wenn die Anlage wie bei den Amwindkursen Richtung Azoren auf Windsteuerung eingestellt sein und der Kurs abwich, gabs promt eine deutliche Warnung vom Plotter (nervig, aber sehr selten passiert). Ja es ist mehr als bequem -grad in der Nacht oder wenn es draussen kalt ist – steuern vom Plotter aus, steuern vom Tablett aus der Koje heraus, aber die Elektronik nimmt einem nicht die Trimmarbeit ab.
Entgegen aller (teils berechtigten) Kritik , die der Radsteuerung von Raymarine vorauseilt, haben wir sehr gute Erfahrung damit gemacht. Man darf aber niemals das System überlasten und muss das Boot und die Segel immer optimal zum Kurs | Wind trimmen. Ruderdruck verträgt die Raymarine Steuerung nicht. Bei Nichtbeachtung steuert – im Gegensatz zur Aries – Raymarine zwar weiterhin zuverlässig, aber der Motor, als auch die Mechanik werden dies schnell bestrafen und sich auf kurz oder lang in viele kleine Kunstoffteile auflösen. Ausserdem sollte immer ein Ersatzttreibriemen im Gepäck sein. Unsere Erfahrung ist, dass dieser eine Lebendsdauer -bei wenig Belastung- von ca. +- 2000 gesteuerten Meilen hat.
Aber was ist, wenn die Elektronik, der Steuercomputer, aus welchem Grund auch immer, ausfällt ? Was bleibt dann ? Am Ruder sitzen ? Für uns sicherlich keine Alternative und so wird unsere Aries auch zukünftig als treuer Begleiter an Bord bleiben…